„Niemals Finne sein”
Erschienen 2013 in "Jetzt Gemeinschaft! Es kann nur alle geben"; Max Spielmann, Andrea Iten,
Anka Semmig, Julian Rieken (Hg.); Hyperwerk Verlag, Basel.
...der Alkohol wird in Finnland als ein fatales, unbeherrschbares Ereignis betrachtet, ähnlich wie das Wetter. Das Trinken erfolgt pflichtbewußt und wenig anmutig. Es wird schnell und hart getrunken und es gibt eine Schwäche für abstoßende Mixgetränke — besonders grauenhaft: Salmiaki — in Wodka aufgelöste Lakritze, ein Cocktail, der nach WC-Reiniger riecht und bei jedem Schluck den Körper in Ekelwellen durchrüttelt. Die Wirkung des Alkohols wird hingenommen wie ein Schicksal. Maßlosigkeit wird nicht verurteilt. Zu schweigen ist kein Problem. Es wird aber gerne zugehört. Manchmal werden sehr persönliche Gespräche à deux geführt. Diese Gespräche sind offen, gelegentlich rührend. Die Menschen werden selten unangenehm, wenn sie betrunken sind.
Inzwischen bemerke ich, ändert sich der Umgang mit Alkohol. Die Jungen trinken kosmopolitisch — man merkt keinen rechten Unterschied mehr zu unseren eigenen Gewohnheiten — Es scheint, daß der jahrhundertalte finnische Alkoholismus langsam ausstirbt und dem kalten, globalisierten Saufen weichen muß. Ich sehe es mit Bedauern...